20
Jul
2008

Von bösen alten Frauen

Hexen, Vetteln oder einfach "die Alte". Mit den Jahren nehmen die negativen Bewertungen für alte (in der Regel allein lebende, "übriggebliebene", nicht verwitwete) Frauen überhand.
Sie taugen zu nichts mehr. Kinder? Enkel? Meistens Fehlanzeige. Dafür verlangt ihr welkes Fleisch noch immer nach Männern. Fürsorglich? Nett? Anpassungsfähig? Auch meistens Fehlanzeige. Durchsetzungsbereit. Kompromisslos. Selbstbezogen. Das sind sie meistens. Aber dann wären sie ja Männer...
Bevor ich den wohlfeilen Klischees noch weitere hinzufüge, muß ich den Auslöser dieses Textes erläutern. Ich habe ein paar Freundinnen, die älter sind als ich und unter denen sind zwei, die entwickeln sich genau so. Sie werden böse alte Frauen. Sie sitzt mit dir im Restaurant und wechselt dreimal den Tisch, am Dritten ziehen wir einem jungen Mann den Stuhl unter dem Arsch weg, der sich gerade dran setzen wollte. Dann ist der Kaffee zu kalt und wird neu geordert. Dem ist ein Klagelied vorausgegangen, daß der Service hier zu langsam sein. Ich merke, daß die Freundin hier schon bekannt ist. Das Personal zieht ein langes Gesicht und bewegt sich extra langsam. Sie erzählt mir von einem Streit neulich mit dem Koch und der Inhaberin: die Scampi waren glasig, sie ließ sie dreimal zurückgehen.
Die andere ißt nichts, was auf der Speisekarte steht, weigert sich "in den Osten" zu fahren und zieht in meinem Beisein über "euch Ostler" her. "Auf euch ham wir grade noch gewartet und jetzt sitze ich mit einer im Auto und die fährt ein besseres Auto als ich." Sie will gefahren, mitgenommen, bedient werden und gibt selten mehr zurück als Neugierde ("wie läufts denn bei euch?").
Und bevor Lucky mich wieder abwatscht, daß ich mich scheinbar in meiner Opferposition wohlfühle, muß ich zugeben, daß ich in solchen Situationen zu stummem Entsetzen und Mitleid neige.
Ich sehe die verkniffenen, schmalen Lippen. Ich höre mir die Geschichten über Gesundheits- und Hundeprobleme an. Höre über früher. Die vielen Männer, wilde Zeiten... Und jetzt? Sie haben es aufgegeben. Da kommt niemand mehr. Sie arbeiten viel, zuverlässig und kompetent. Aber ihr Privatleben ist ein mühselig mit gerade abkömmlichen Freundinnen und Kulturveranstaltungen gefülltes Brachland.
Sie haben nicht die diskrete Weisheit einer abgeklärten alten Jungfer oder die graumäusige Naivität eines Mauerblümchens. Sie hatten einmal fast alles, wollten noch mehr und haben irgendwann alles verloren. Das Leben ging weiter und sie standen noch immer an derselben Stelle und kaprizierten sich. Und irgendwann sind die Kapricen nicht mehr niedlich oder sexy oder aufregend, sondern sie bekommen sehr schrille Untertöne.
Warum ich darüber schreibe? Weil ich Angst habe, daß mir das irgendwann selbst passiert. Das mich das Leben irgendwann als ungenießbar ausspuckt. Daß der Zug abfährt und ich habe nicht mal mehr eine Bahnsteigkarte. Oder anders formuliert: daß ich es nicht schaffe, mir ein wenig Weisheit und Würde zu erarbeiten.
Ein Freund hat immer Sprüche im Gepäck, über die ich zunächst lache und die einen wahren Kern haben. Er meinte mal: "Junge Frauen sind alle ein bißchen blöd und leicht unzurechnungsfähig. Das müssen sie auch, das muß was hormonelles sein, sonst würden sie das mit dem Kinderkriegen und -aufziehen nicht auf sich nehmen wollen. Später werden Frauen hart, clever und ernstzunehmende Gegner, das ist dann für Männer nicht mehr so angenehm. Außerdem sind sie dann körperlich nicht mehr anziehend. Frauen müssen ab einem bestimmten Lebensalter keine Kompromisse mehr machen, weil sie für sich selbst sorgen und niemandem mehr gefallen müssen."
Ich beobachte das an mir. Noch bin ich zwar nicht so weit, wie die Freundinnen, die ihr NEIN! und ihre Beschwerden in die Welt hinausdonnern, ob es einer hören will oder nicht. Aber immer öfter kommt mir der Gedanke: Das muß ich nicht mehr haben. Jenes will ich nicht mehr. Und nun auch noch das lasse ich mir von niemandem bieten. Und vor lauter innerer Ablehnung wird mein Leben ärmer und ärmer. Und es kommen die ersten vorbei, mit denen ich seit Jahren eine Rechnung offen habe...

Aber keine Angst, das wird hier keine moralisierend-misogyne Seite. Demnächst bekommen die alternden Pofilneurotiker ihr Fett ab.
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wieder einmal bestätigt sich, dass sport eben doch...
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