13
Okt
2007

Drei GRÖNÖ oder Ismirschlecht

Das Kind rang mir das Versprechen ab, sie mit dem Auto zum Möbelhaus zu fahren. Nun bin ich nicht so stoffelig, meinem Kind keinen Gefallen zu tun, zudem sie grade am Start ihres Studentenlebens ist und auch ich mein Scherflein an Unterstützung beitragen möchte. Außerdem waren die Neuanschaffungen bis ins Kleinste von ihr durchdacht und kalkuliert, sie wollte sich schließlich auf ihre Kosten von ihren alten Kinderzimmermöbeln trennen.
Nur hat das Möbelhaus seit geraumer Zeit eine überreizende Wirkung auf mich. Ich walze durch die Gänge, würdige kaum noch etwas eines Blickes, blocke dieses ganze bunte Geflimmer am Wimpernsaum ab, wo ich früher voller Entzücken mit übergehenden Augen Impulskäufe gemacht hätte. Seit ich meine Einrichtung und das Wohngerät auf das mindeste reduziert habe, kommt mir kaum noch etwas vom Möbelhaus ins Loft.* Einrichten muß finanziell weh tun, damit es beim kargen Stil bleibt.
Das Kind und ich hatten einen cleveren Plan. Gesichtet hatten wir schon beim letzten Mal, jetzt würde alles auf den Wagen gepackt, im Auto verstaut und zu ihr gefahren. Ich könnte danach durch die Herstsonne fahren, die Waschanlage besuchen, noch ein bißchen spazierengehen und dann ab in die Muckibude, die Speckröllchen ärgern.
Wir näherten uns dem Möbelhaus mit tausenden anderer Autos. Menschen-Massen wälzten sich durch den Eingang. Kinder, die tatsächlich Lasse und Finja gerufen wurden und Schwangere, Unmengen Schwangere. Vielleicht würden die ihre Kinder POÄNG und FORSLUTA nennen.
Unsere erste Beute, drei Leuchten namens GRÖNÖ, gefielen sogar mir. Pfiffig, simpel, wirkungsvoll, billig. Allein, der Impuls, auch eine mitzunehmen, stellte sich nicht ein. Ich warnte noch: Bloß keine 7-Watt Energiesparlampe wie empfohlen. Ich erinnerte mich genau an die Zeiten, in denen ich alles auf Energiesparlampen umgestellt und im Winter das Gefühl hatte, kurz vorm Erblinden zu sein.
In der Hälfte der Möbelausstellung, das Kind fiel von einer Verzückung in die andere, bekam ich Hunger. Ich setzte manchmal dagegen, daß sie ähnliche Sachen in ihrem Kinderzimmer hatte, aus alten Möbeln improvisiert und selbst gebaut. Klar, das eine oder andere faszinierte mich auch. Ich bin dafür zu haben, wenn Form und Funktion stimmen und das ganze auch noch bezahlbar und transportabel ist. Ich habe nur schon zu viele Möbelleichen in meinem Leben gesehen. Herausbrechende Türen, unter der Last klemmende Schubladen, in jeder Wohnung dieselbe Truhe. Ich bin einfach weg von dieser Simulation von Lebensqualität. Lieber schlafe ich auf einer Matratze und stelle mir Bananenkisten dazu.
Aber ich war dabei stehengeblieben, daß ich Hunger hatte. Mein Frühstück bestand vorwiegend aus Kaffee und mittlerweile war es hohe Mittagszeit. Wir gingen ins Restaurant. Eine Dame mit Walkie-Talkie dirigierte die Schlangen. Das Kind besetzte einen Tisch und hinterließ die Anweisung: Kötbullar, die kleine Portion. Man muß wissen: ich war zu ersten Mal im Restaurant des Möbelhauses. Und ich war sehr hungrig. An der Kühltheke lud ich einen großen Rohkostteller auf das Tablett, dazu ein bißchen Sahnemeerrettich und Gravard-Lachs-Sauce, weil ich die so mag. Dann fiel mein Blick auf schwedische Mandeltorte. Mist, das Zeug ist für mich Suchtmittel. Und das Kind liebt die Daim-Variante genauso wie ich. Also was solls, die Absolution in Form von Salat steht daneben, zwei Stück Kuchen. Tapfer ignorierte ich Schokopudding mit Vanillesoße, Vanillepudding mit Beerensoße, schwedischen Blaubeerkuchen und was sonst noch so lockte.
An der Küchentheke gab es dieses Kötbullar. Die Namen, die das Möbelhaus vergibt, rufen in mir mitunter unorthodoxe Assoziationen hervor. Und das klang für mich wie Durchfall und Verstopfung zugleich. Es sah auch so aus. Kleine braune Knödel, umgeben von hellbrauner, cremiger Soße. Die Leute orderten wie verrückt. Mit Kartoffeln, mit Fritten, ganz ohne. Ich erinnerte mich an den Spruch vom Kind: komm ja nicht auf die Idee, hier was gesundes zu essen, wir essen beide einen kleinen Teller Kötbullar. Salzkartoffeln fand ich bäh. Also Pommes Frites für mich. Der Rohkostteller war schließlich sehr groß. Mit zwei vollen Tabletts schwebte ich in Richtung Tisch. Sehr, sehr vorsichtig. Ich laufe so über den Onkel, daß ich mir nie hätte mein Geld mit Kellnern verdienen können.
Das Kind bekam große Augen. "Bist du wahnsinnig?" Ich glaubte ihr fast, murmelte aber was von: "Da ist doch ein großer Salat dabei!"
Auf der Suche nach dem Salatdressing stieß ich noch auf die Ketchup- und Mayo-Spender, die es unten für die Hotdogs gibt. Lang entbehrte Genüsse, da ich die Hotdogs nicht mehr essen kann. So badete ich die Fritten in allen greifbaren Soßen.
Nach dem Teller Kötbullar (in der Tat sehr schmackhaft!) (frag mich, warum ich den Zwang habe, immer dieses Wort in Gedanken auszusprechen und aufzuschreiben), streikte das Kind. Und so aß ich noch den Salat und, immer langsamer werdend, den Kuchen. Beide Stücke.
Ich meine, ich bin doch nicht wahnsinnig ein Stück von meinem Lieblingskuchen stehenzulassen. Vor allem vom einzigen für mich eßbaren, weil glutenfreien, Kuchen der Stadt!
Danach war mir folgerichtig schlecht und ich dachte daran, was ich alles im Fitnessstudio veranstalten müsste, um die gefühlten 2000 Kalorien wieder loszuwerden.
Er war Zeit für den eigentlichen Zweck unseres Einkaufs. Wir erhoben uns mit schweren Bäuchen und gingen in die SB-Halle. Leuchtmittel. Eine Tagesdecke. Mir fiel ein, als ich die Maße der verpackten Möbel aufaddierte, und den ohnehin schon vollen Wagen sah, daß ein zweiter Wagen nicht schlecht wäre. Also zurück, einen Wagen holen.
Ich vergaß, daß es mittlerweile auch in der SB-Halle Wagen gab und verpaßte jede mögliche Abkürzung. Überhaupt hatte es das früher nicht gegeben, Abkürzungen oder Wagen später als an der Treppe, wer etwas vergaß, mußte durch das ganze Labyrinth zurück.
Vorbei an Familienzusammenrottungen mit Kindern mit Topfschnitt (M) oder schütteren Zöpfchen (W), die zwar mittlerweile nicht mehr so antiautoritär erzogen agieren wie früher, dafür aber unerträgliche Klugscheißer sind. ("Stimmts Papa, wir kaufen nur Sachen, die der dritten Welt nicht schaden.") Vorbei an pickligen Neukölner Teeagerpärchen in Picaldi-Jeans, die knutschend versuchen, einen innenarchitektonischen Konsens zu finden, der vor allem dem auf Pump gekauften 63''-Plasma-TV Platz bietet. Und Russen, jede Menge Russen. Diesmal keine Kudammrussen, sondern die ärmeren Vertreter der Gattung. Oder waren es Polen? Sonst höre ich den Unterschied, aber meine Aufmerksamkeit richtete sich vor allem darauf, weder Schwangere noch Kleinkinder unterzupflügen.
Vor den Hochregalen hatten wir dann das erste Problem. Das Kind ist 8 cm kleiner als ich und viel zarter (vielleicht sage ich deshalb noch immer Kind, obwohl sie fast 21 ist) und ich darf nach zweimaligen Antackern meiner Beckenorgane nie wieder zu schwer heben. Wir ließen uns Regal, Kommode und Sofa von einem freundlichen gelben Mitarbeiter auf den Wagen packen und wußten zugleich, daß wir weder in der Lage waren, die Sachen effizient im Auto zu verstauen, geschweige denn sie von der Straße in die Wohnung zu bringen. Sie waren einfach zu schwer. Und so kam ich auf mein altes Versprechen zurück, die Lieferung zu bezahlen. Glückliches Kind, das nur das Kleinzeug mitnahm, glückliche Mutter, die nun endlich hinaus in die Herbstsonne wollte, denn es war mittlerweile halb vier.
Auf der Fahrt zurück nach X-Berg klingelt mein Handy. Das Kind ist dran. Die drei GRÖNÖ-Leuchten sind kaputt. Ich erinnerte mich, es hatte ein paar mal gescheppert, sie sind nämlich nur in Plastik eingeschweißt. Ich muntere sie auf, die Dinger sind schließlich spottbillig.
Vor der Garage suche ich nach meinem Schlüssel. Eine Erinnerung dämmert in mir auf. Ich hatte ihn beim Losfahren dem Kind gereicht, weil ich ihn sonst immer auf den Beifahrersitz schmeiße. Sie hatte ihn wohl in ihre Tasche gesteckt. Ich fahre fluchend zurück nach Schöneberg. Um dem noch einen guten Gedanken abzugewinnen fällt mir ein, daß wir die Leuchten umtauschen könnte. Ich will sowieso abends in C-Burg sein, da kommen wir beim Möbelhaus, wie auch an der Wohnung vom Kind vorbei. Das Kind ist begeistert. Wir fahren wieder von Schöneberg nach Tempelhof und ziehen in der Umtauschabteilung eine Nummer. Es ist mittlerweile fünf. 39 Leute sind vor uns. Finja und Lasse sind mit Mama zu Hause geblieben und Papa tauscht die Fehlkäufe um. Wir briefen uns noch mal, denn der Umtausch fällt eindeutig unter Kulanz. Das sieht die Dame in Gelb genauso. Einzige Lösung: eine Family-Card beantragen. Ich habe zwar eine, verschmeiße sie aber immer wieder. Das Kind füllt am anderen Ende der Halle einen Antrag aus und fährt wieder nach oben, in die Family-Abteilung. "Fährtste mit der Rolltreppe hoch und kommste mit dem Fahrstuhl daneben wieder runter, ganz einfach.", hatte ich ihr geraten. Ich wartete inzwischen unten, die drei kaputten Leuchten balancierend. Ah, sie taucht in Richtung Fahrstuhl an der oberen Galerie wieder auf. Ich philosophiere, wie man wohl Diebstahl verhindert, wenn man da einfach mit dem Fahrstuhl zum Eingang wieder rausspazieren kann.
Der Fahrstuhl fährt zweimal auf und runter, sie kommt nicht. In mir festigt sich die Erkenntnis, daß die Diebstahlsicherung wohl darin besteht, daß man mit dem Fahrstuhl nicht runterfahren kann und bewege mich langsam Richtung Kassenbereich. Mein Handy klingelt. Es ist nicht so einfach, es auf der Handtasche zu fummeln, wenn man drei kaputte GRÖNÖ trägt. Das Kind mault: Ich muß ganz durch, die haben mich nicht mal durchs Kinderparadies zurückgelassen. Komisch, denke ich, dabei ist sie doch so klein.
"Bring bitte drei neue Lampen mit, sonst müssen wir noch mal durch." - "Und was mach ich dann mit dem Gutschein?" Mit ist zwar vage erinnerlich, daß es keine Gutscheine sondern Bargeld gibt, aber ich kann mich micht durchsetzen. Ich bin nur noch müde.
Wir geben die Leuchten ab, zeigen die provisorische Family-Card vor, bekommen Bargeld (natürlich!), kämpfen uns zum dritten Mal an den Kassen entlang quer durch die Halle, vorbei an sperrigen Wagen, Hotdogessern und schreienden Kindern. Diesmal nehmen wir alle möglichen Abkürzungen und ich kaufe mir auch eine Leuchte. Und ein Plüschtier fürs Kind, ein rotgeflecktes, ulkiges Samtkamel. Denn sie braucht ein Kuscheltier fürs Studentenwohnheim. Ihren geliebten Teddy Krank kann sie schließlich nicht ständig hin- und hertransportieren. Der fällt sowieso fast auseinander, denn er ist so alt wie sie. Wir packen die Leuchten sogfältig in Papier und verschnüren sie. Nicht, daß sie noch mal kaputtgehen. Dann fahren wir nach X-Berg, ich packe ein paar Sachen zusammen, leite mir einige Mails weiter. (HeMan hat aus Nepal geschrieben, ab morgen geht er 18 Tage auf den Treck.) Ich setze das Kind in Schöneberg ab. Sie ist glücklich und bedankt sich. Ein glückliches Kind macht mich auch glücklich.
Um sieben sitze ich in C-Burg an Hemans Schreibtisch. Ich trage eines seiner Sweatshirts. Ein wunderbares altes Replay-Teil. Es riecht nach ihm.
Hunger habe ich keinen. Ich glaube, ich habe Sehnsucht.

*Was mich darauf bringt, daß ich noch den letzten Teil der "Schöner Wohnen"-Posts schreiben muß!

12
Okt
2007

Die Bewirtungskosten

sind im August und September auf dem historischen Höchststand. Prima. Das hab ich jetzt alles auf den Hüften.

Volltreffer

Man kann nicht immer auf der sicheren Seite leben. Sonst verpaßt man zu vieles, was wichtig ist.
Jana Fonda in einem langen Interview mit Katja Nicodemus in der Zeit.
(Kann man irgendwie nicht direkt verlinken)
Klingt erstmal wie eine banale Weisheit für Kaffeetanten, liest man die drei Seiten vorher, weiß man, um welche Dimension es geht.

11
Okt
2007

Nachtrag

Blogger sind ja alles mögliche. HI EI VI.
Bei mir kommt immer nur analytischer Denker raus. Peinlich.

Nix Jüngtürken, nix Disse

Buchhaltung. Bilanzen. Steuer. Kontenabgleiche.
Zahlen.
Zahlen.
Zahlen.
ARGH!

10
Okt
2007

Ist Sex wichtig?

Fragmente meinte irgendwann in einem Kommentar sehr ironisch, Sex würde überschätzt. Das ist ein Satz, den ich nicht zum ersten Mal zu hören bekomme. Auch Männer sagen ihn, zu meinem großen Erstaunen. Und er landet bei mir so nachhaltig, daß ich sofort ein "Ja aber....!" dagegensetzen muß.
Seit ich relativ früh gestartet bin, strukturiert Begierde mein Leben. Von meiner Jugendliebe gefragt; "Würdest du mich verlassen, wenn ich impotent wäre, querschnittsgelähmt oder spastisch vor mich hinvegetieren würde?", habe ich genau die entscheidende Sekunde mit der Antwort: "Natürlich nie!" gezögert, um einen Riesenkrach zu bekommen. In dieser Sekunde schoß mir so allerhand durch den Kopf: oh gott, fiese frage +++ aber das geht doch nicht, sex machts doch aus, sonst wärst du mein bruder/onkel/kumpel/vater +++ wenn du dann noch willst, daß ich dir treu bin, kann ich mich gleich lebendig begraben lassen +++.
Sex ist eine spezielle Form von Kommunikation. Manchmal die einzige, in der Männer und Frauen sich verstehen (wie heißt es so schön: die einzige Stelle, wo Männer und Frauen zusammenpassen, ist in der Mitte) und für mich mit meinen Kontaktängsten eine Brücke zum anderen Menschen, wie ich sie mir sexlos nie aufbauen könnte. Wenn die Kommunikation dann eingespielt ist, kann man auch wieder reden und dann werde ich ruhiger. Viel Arbeit und das hormonelle Auf und Ab tun das ihre.
In den Zeiten, als ich eine schlimme Stoffwechselstörung hatte, die mir so was wie Wechseljahre in der zweiten Hälfte der Dreißiger bescherte, fand ich dieses ganze Balzen, Gurren, leichtgeschürzte Flatterkleider anziehen, verstohlen Bizepse begaffen schlicht abartig wie ein alte Jungfer.
Und, wie gesagt, entgegen der landläufigen Meinung, kannte ich auch Männer, die meinten, das ganze Hoppe-Hoppe sei nicht wichtig.
Der eine war zwar recht aktiv, leugnete aber schlichtweg, so was wie sexuelle Phantasien zu haben oder außerhalb des Moments, in dem es ihn "übermannte", überhaupt nur daran zu denken. Ich verlor an diesem Aspekt der Beziehung mit ihm daher auch recht schnell das Interesse. Eine meiner Freundinnen, die er so nebenher auch mal beglückte, meinte zu mir, das wäre der schlechteste Sex gewesen, den sie je gehabt hätte. Was etwas heißen mag, denn die Gute hatte in ihrem Leben sehr viel schlechten Sex.
Der andere war mit Sicherheit homosexuell. Allein die Umstände seiner Herkunft und Jugend - Bauernjunge, der in den 50ern im katholischen Eichsfeld aufgewachsen war - hinderten ihn daran, so einen Gedanken überhaupt an sich heranzulassen. Er stand auf sehr knabenhafte Frauen, die dann aber auch auf keinen Fall zu aktiv sein durften und war froh, wenn er in Ruhe gelassen wurde.
Frauen sind in ihrer Abneigung gegen Sex offener. Es ist in gewisser Weise auch Bestandteil des Spiels: Eigentlich mag sie es nicht, aber mir zuliebe tut sie es bzw. nur ich kann den Funken in ihr entzünden.
Besagte Freundin berichtete an ihrem Küchentisch von wunderbaren Kuschelnächten. Ich saß stumm daneben und sagte zu mir: Kitty, du bist eine Sau! Halt jetzt bloß die Klappe und sag nicht, daß du so was grauenvoll öde finden würdest. Schäm dich lieber.
In die gleiche Kerbe hauten von Anfang an die kleinbürgerlichen Frauen aus dem mütterlichen Zweig der Familie. Die Qualiät eines Mannes wurde daran gemessen, ob er schweinische Witze erzählte. Männer wollten sowieso nur das eine und die Frauen, die es machten, waren Schlampen.
Das scherte mich alles herzlich wenig. Ich war sowieso hormonell ferngesteuert und hatte den Drang, mir auf diesem Weg die Geborgenheit und körperliche Aufmerksamkeit zu holen, die mir meine Familie nicht gab.
Ich lernte, zu genießen, Vorlieben zu entwickeln. Guter Sex ist für mich genauso wichtig wie guter Wein, hervorragendes Essen oder ein gutes Gespräch. Sexueller Umgang ist eine Form von Kultur. Genau so, wie man lernt, welches Besteck zu welcher Speise paßt und wie man ein Gespräch führt. Oder weiß, wann Zeit für Currywurst mit Pommes und hemmungsloses Herumblödeln ist. Natürlich verhindert die Angst viel. Sexualität ist ein Bereich, den gerade Frauen unter Kontrolle zu halten konditioniert sind. Triebhaftigkeit ist ebenso der Beginn grenzenloser, durch nichts kontrollierbarer Freiheit wie des gnadenlosen, mechanischen Stumpfsinns. Männer behindert eher Leistungsdruck, scheint mir. Groß genug? Ausdauernd genug? Oft genug? Bullshit. Ekstase kann mitunter im großen Zeh sitzen.
Das Alter macht mich ruhiger. Der hormonelle Strudel dreht sich langsamer, sein Sog ist schwächer geworden. Ich muß zugeben, ich habe Angst vor der Zeit der ruhigen Wasser. Wer bin ich dann? Fühle ich mich dann wie eine der Frauen, die ihrer verlorenen Schönheit nachtrauern? Oder ist es einfach nicht wichtig?

P.S. Aus gegebenem Anlaß. Meine Herren, wenn Sie jetzt den Impuls verspüren, mich diskret zu kontaktieren, weil sie das Gefühl haben "einer geht noch", muß ich sie enttäuschen. Ich treibe es nur mit Leuten, die ich gut kenne. Und seit langem überhaupt nur mit einem. Unaufgefordert eingesandte Spatzlbilder werden mitsamt Begleittext und Mailadresse unverzüglich veröffentlicht.

9
Okt
2007

Das schöne

am allein zu Hause rumhocken ist, daß man zu Sachen kommt, die man ewig vor sich hergeschoben hat. Ich ersetze jetzt mal "man" durch "ich".
Ich habe heute Kündigungen verschickt. Für zwei Fahradversicherungen, deren versicherte Objekte längst im Nirvana rollen. Ein Mieterschutzportal, in das ich mich vor Jahren zweimal eingeloggt habe und von dem ich einmal den fachlichen Rat bekommen habe, ich solle doch bitte einen Anwalt konsultieren (Danke!). Drei Zeitungsabos, weil ich in X-Berg eh nicht zum regelmäßigen Tagesspiegel-Lesen komme, eine Fernsehzeitung nicht mal mehr beruflich brauche, sie nur noch aus Sentimentalität (Milchstraßenrevolutionäre) und wegen der letzten Seite vom Kalkofe behalten habe und die Zeit, weil sie von vier Wochen nur drei kommt. Aber letztere buchen scheinbar nicht mal mehr ab. Hm. Im Überschlag spare ich an den Zeitungen 500 € im Jahr. Blogs sind doch die bessere Alternative zum Journalismus. Sie sind basisdemokratische Unterhaltung und Information auf Gegenseitigkeit.
Es ist sehr befriedigend, wenn der Berg, den ich vor mir herschiebe, schrumpft und ich trotzdem nicht das Gefühl habe, zuviel zu arbeiten.

Und noch etwas ist schön: Ich habe viel Lust, zu bloggen.

Nu isser weg

Gestern abend habe ich HeMan zum Flughafen gebracht. Für fünf Wochen Nepal, die er versuchen wird, unter hiker zu dokumentieren.
Die letzte Stunde vor dem Abflug verbrachten wir knutschend auf einem Sofa in der Business Lounge.
(Übrigens gibt es immer wieder Lebensenttäuschungen. Die Business Lounge in Tegel zählt dazu. 80er-Jahre Design, das mittlerweile den Charme von Möbel-Tick hat. Uralte Telefone und Faxgeräte, ein Fall fürs Technikmuseum. Jede Menge Alkoholika und zum Essen Käse aus der Plastikfolie und Chips. Man kann sich dort hungrig und überarbeitet gut volllaufen lassen und später die Flugbegleiter belästigen oder in den Flieger kotzen.)
Die letzten Wochen, in denen auch ich an den intensiven Reisevorbereitungen teilnahm, haben mich mehr in C-Burg als in X-Berg leben lassen. Ich habe mich gern um die eine oder andere technische Sache gekümmert. Blog und Flickr-Account einrichten, Mailumleitungen, iPod bespielen. Mütterlich Medikamentenpackungen beschriften, mit knappen, ohne Lesebrille lesbaren Hinweisen: Fieber, Durchfall, Allergien etc. Ich gesellschaftsunfähiger Mensch habe sogar eine Abschiedsparty organisiert. Die Nähe war mir wichtig. Eine produktive Nähe, in der es nicht darum geht, sich stundenlang in die Augen zu starren oder sich im Bett zu wälzen.
Nicht, daß ich jetzt in ein schwarzes Loch falle. Die Ereignisse dieses Jahres haben genügend Arbeit auf die Halde geschoben. Ich bin in meinen Geschäften einfach so mitgerutscht. Von Führung kann nicht mehr die Rede sein. Also den Berg abarbeiten und wieder einen Überblick schaffen.
Erholung. Wir waren viel unterwegs, aber das waren anstrengende Zeiten, mit wenig Schlaf und kaum einer Möglichkeit, einfach Zeit für sich zu vertrödeln. Dieser vermeintliche mentale Leerlauf ist es aber, der mich produktiv macht. Mein Beruf verlangt von mir Erreichbarkeit und kompetentes Reagieren in jeder Situation, ich mache das seit dem 10. Januar ohne Unterbrechung. That sucks.
Ganz banale Sachen kommen dazu: Das Loft aufräumen, einrichtungstechnische Provisorien beseitigen. Die dunkle Jahreszeit kommt und ich habe immer noch nicht genug Licht. Mein Kühlschrank macht mir Sorgen. Ist Botterbloom-Eis immer so weich oder wird er nicht mehr richtig kalt? Bitte jetzt keine gaggenauteure Reparatur, nicht bei meinem Kontostand. Das Küchenregal ausräumen und alles wegwerfen, was nicht luftdicht verpackt ist (was nicht viel ist), denn ich fange immer noch Maden von der Wand.
Vier Kilo abnehmen. Ich habe einfach zu wenig getan und zu viel gegessen in den letzten Monaten. Eigentlich könnte ich sofort für den ganzen Tag in der Muckibude verschwinden. Vielleicht mache ich das morgen auch.
Ich leide nicht unter Trennungsschmerz. Das ist vielleicht das schöne am Älterwerden. Ich gönne HeMan die Reise und hatte selbst keine Lust, Zeit und Geld, mitzufahren. Das ist nicht mein Traum sondern seiner, der da verwirklicht wird.
Ich habe den einen oder anderen Augenblick der letzten Tage als möglichen finalen Moment abgespeichert. Still, für mich, ohne hysterisches Hyperventilieren. HeMan ist in einem Alter, wo das eine oder andere auf einem Treck im Nepal zu einem gesundheitlichen Problem werden könnte. Und er hat die typisch männliche Tendenz, auf Körpersignale nicht zu hören. Zumindest nicht, wenn er beschäftigt ist. Hypochondrie im Leerlauf ist durchaus erlaubt. Außerdem hat er hat eine Neigung zu Unfällen. Und ich bin ein Mensch, der glaubt, daß Unfälle keine Zufälle, sondern naturellbedingt sind. Einmal mit Unterkühlung im Krankenhaus gelandet, ein Genickbruch, zweimal unters Auto gekommen, dazu diverse Stürze mit dem Fahrrad oder Inline-Skates. Da liebt jemand das Risiko. Von der letzten Bergwanderung kam er mit einer angebrochenen Rippe zurück. Das war eine Tour in Südtirol, zusammen mit drei Sechzigjährigen.
Kein Grund zur Panik, aber ich bin Zweckpessimistin. Das schlimmste wäre für mich, wenn mich ein Unglück überrascht.
Und sonst? Es gibt viele Angebote von Freunden, etwas mit ihnen zu unternehmen. Auf manche habe ich Lust. Ich habe auch Lust, mit meinem neuen Auto einfach wegzufahren, ganz allein. Mal sehen, wo ich lande.

7
Okt
2007

Der Frauenschreck

Mein geliebter Dyson-Staubsauger (der große mit Allergiefilter, Bürste und langem Schlauch) ist für meine Putzfrauen ein Horrorobjekt. Sie stehen vor dem Teil, an den alles selbsterklärend konstruiert ist, drücken mal hier, rütteln mal da und fragen, wie sie damit arbeiten sollen. Meine Mutter weigerte sich gar, ihn überhaupt anzufassen. Es ist doch so simpel. Alles, was beweglich ist, klickt, sich dreht und schnappt, ist gelb. Alles andere ist grau. Männer nehmen ihn in die Hand und bedienen ihn. Problemlos. Und ich stehe nach wie vor dazu, daß ich mir damit einen Techniktraum erfüllt habe, eine wunderbare Symbiose von Form und Funktion.
Gestern abend jagte HeMan ein paar Maden hinterher, die in einer Bio-Müsli-Tüte Obdach gefunden hatten. Weil ich stundenlang gekocht und gebacken hatte und ihr Regal, in dem sie wohnten, immer ungemütlicher und heißer wurde, hatten sie die Flucht wandaufwärts in Richtung Zimmerdecke angetreten. Kein Problem für meinen Staubsauger, schließlich hat er in seinem Griff einen Rüssel,eine geniale Schlauch-Rohr-Kombi, die sich auf vier Meter Länge ausfahren läßt und die Viecher selbst von der vermeintlich ruhigen, kühlen Rundung der Kappendecke putzen kann.
Ich stellte mich vor Heman in Ghostbusters-Pose hin. Mit Ritsch-Ratsch-Klick wollte ich ihm meinen Madenvernichter präsentieren. Schon Ritsch mißlang. Der Griff war verkehrtherum eingerastet und mußte peinvoll herausgerüttelt werden. Ratsch mutierte zu Zerr. Wo bitte war die gelbe Muffe, die mit dem Schauch über das Alurohr rutscht und am Ende einrastet? Klemmte sie irgendwo oben im Kopf des Griffs? Brutal reingewürgt? Gab es sie nicht mehr? War das das Ergebnis einer provisorischen, heimlichen Reparatur? Zerr endete mit Reiß.
Mein schöner Staubsauger! Demnächst, wenn die - wahrscheinlich schweineteuren Ersatzteile da sind - gibt es für Unkundige zuvor eine Schnelleinweisung.
Und wie ich das mit meiner Putzfrau besprechen soll, weiß ich auch noch nicht. Ich bin da so schrecklich defensiv. Hab mich auch nicht getraut, meine Tiefgaragennachbarin darauf anzusprechen, daß sie mit mit der Tür von ihrem Jeep eine Beule in das rote Hurenauto gehauen hatte...

3
Okt
2007

Einheitsbrei

Vor genau zehn Jahren fuhr ich mit meiner Tochter nach Berchtesgaden. Da die Autobahn an einer Baustelle zugestaut war, nahm ich die Landstraße über die Niederlausitzer Braunkohlendörfer um Bronkow. Und da habe ich dann versucht, meinem Kind, das bei Mauerfall zweieinhalb Jahre alt war, zu erklären, wie das hier früher aussah: Keine oder verbeulte Gehwege, Straßen mit tiefen Schlaglöchern, an allem haftender Dreck und Staub, Mief in der Luft und ein deprimierendes Grau-in-Grau. Als einziger Farbtupfer Frauen in Kittelschürze auf Fahrrädern, das Kind auf dem Kindersattel, zwei volle Einkaufsbeutel am Lenker. Wenn der Tagebau näherrückte, wurden die Menschen in Plattenbauviertel umgesiedelt, die am Rand der industriellen Kleinstädte wie Hoyerswerda oder Senftenberg lagen. Bauern bekamen andere Jobs. Haustiere und Gärten gab es nicht mehr. Dörfliche Gemeinschaften wurden auseinander gerissen, wenn die Wohnungen nicht reichten.
Jetzt waren die Dörfer adrett und sauber. Die Straßen und Gehwege grade und trocken. Die Häuser mit Baumarktcharme saniert. Ab und zu war auch ein Mensch zu sehen. Meist ein alter Mensch.
Meine Tochter hat - damals zehnjährig - nicht so richtig verstanden, was ich meinte. Es war mal wieder so ein bißchen "Mama erzählt vom Krieg". Was sollte ich auch sagen? Ihr erzählen, daß die Raststätte Frankenwald für mich in einer anderen Welt lag? Berchtesgaden für mich mit Hitler assoziiert war und nicht mit Skifahren und Bergwandern?
Ich will die Mauer nicht zurückhaben. Ich will nie wieder im Februarsmog in einem Dreckloch, wie es Leipzig einst war, einen Asthmaanfall bekommen. Ich will nie wieder die gemunkelten Geschichten über auffällig häufige Kindesmißbildungen in der Bitterfelder Gegend hören und nicht wissen: Ist das negative Propaganda oder die Wahrheit?
Mal abgesehen von der ganzen kommunistisch-quasi-religiösen Gehirnwäschescheiße, die mein Leben von frühester Kindheit an bestimmt hat.
Ja, es ist richtig so.
Und ja, es ist schmerzlich, daß Millionen von Menschen in dem Gefühl leben, wohlgepflegte Eingeborene einer nahen Kolonie zu sein. Sonderbar und belächelt in ihrem Anderssein, kostspielig, unselbständig, larmoyant.
Die adretten Straßen täuschen nicht darüber hinweg, daß die ostdeutsche Gesellschaft in Gewinner und Verlierer zerfällt. Menschen, die die neu entstandene Welt akzeptieren (denn der Westen ist auch nicht mehr das, was er mal war) und sich integrieren und Menschen, die ihre alte Lebenshaltung beibehalten haben. Die entweder aus alter Ideologie und ihren Grabenweisheiten besteht oder aus der Gemengelage von ewigem Misstrauen gegen "die da oben" und dem Verharren in Unmündigkeit und Abhängigkeit.
Das waren jetzt alles keine perfekt gebaute Sätze, aber es mußte mal raus.

1
Okt
2007

furor autumnalis

Fragmente beschreibt sich in Aggregatszuständen und erwähnt:
Im Moment toben in meinem Brustkorb gasförmige Teilchen, trommeln wild und hektisch gegen meinen Solarplexus. Es ist schrecklich. Ich weiß nicht, woher es kommt - Hormone, Mond oder Jahreszeit?
Mir geht es genau so. Gestern nacht fing es an. Nach einem dieser sonntägliche Beziehungsgespräche, die HeMan und mir seit einigen Wochen unterlaufen, die mit einem nebensächliche Satz beginnen und plötzlich sehr grundlegend und existenziell werden. Ich schlief zwei Stunden wie eine Tote und plötzlich wachte ich mit einem inneren Paukenschlag auf. Danach nur noch Gedankenräder, Herzrasen, am Tag kam noch Übelkeit dazu. Ich habe das manchmal, meine Mutter auch und frage mich, was das ist. Es kommt in den Übergangsjahreszeiten. Im Frühjahr kommt noch ein brutales Jucken am ganzen Körper dazu.
Schilddrüsenkapriolen können so schnell nicht passieren, eine Überfunktion bei falscher Dosierung baut sich langsam auf. To much t3 kann es nicht sein. Hm. Hormone?
Frauen. Irgendwie sind sie schon komische Konstruktionen. Männer prügeln sich, wenn sie zu viel Testosteron haben. Frauen köcheln hysterisch vor sich hin.
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kittykoma - 7. Nov, 23:29
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cabman - 7. Nov, 21:33
Es ist vollbracht
Kitty und ihr Tagebuch sind wieder an die alte Adresse...
Kitty (importiert durch kittykoma) - 18. Okt, 16:03
wieder einmal bestätigt...
wieder einmal bestätigt sich, dass sport eben doch...
Huehnerschreck - 6. Apr, 10:21
Einmal im Jahr
muß sein. 2007: angebrochene Rippe im Wanderurlaub. 2008:...
kittykoma - 4. Apr, 20:44
Ich will auch einen Staubsauger...
Ich will auch einen Staubsauger mit dem die Hausarbeit...
Steffi (Gast) - 8. Mai, 06:45
Saure Eier
Bei uns gehen Saure Eier etwas anders. Mit Butter in...
Schwaka (Gast) - 17. Feb, 14:20
another feuchtgebiet...
spätpubertäre literaturwunderkinder - siehe...
kittykoma - 6. Feb, 13:43

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